Schönes
Wochenende gehabt? Danke, ja, ich auch! Obwohl: Ich bin wieder mal in einer
Schublade gelandet. Ja, passiert mir hin und wieder. Diesmal war es ausgerechnet
eine von denen, die mir am unbequemsten sind: die Schublade „evangelikal“.
Wieder einmal ist ein langer Artikel in einer Sonntagszeitung erschienen, der
„die Freikirchen“ in ein schlechtes Licht und in die Nähe von Sekten rückt.
Grösster Kritikpunkt: konservative Werthaltungen. Zwar besagt die zitierte
Studie des Religionssoziologen Jörg Stolz bereits, dass es drei grobe
Richtungen innerhalb der Freikirchen gibt (charismatisch, klassisch,
konservativ). In die Schublade „evangelikal“ werden dann doch alle geworfen.
Also, weil Freikirchenbesuche zu meinem Glauben gehören, auch ich.
Ich mag die
Schublade nicht, weil sie für mich zu klein ist. Die Definition von
„evangelikal“ lautet „am Evangelium orientiert“, also kurz gesagt, „bibeltreu“.
Dass laut der Freikirchen-Studie nur die Hälfte der Mitglieder für eine
wortwörtliche Auslegung der Bibel plädieren, zeigt bereits, dass dieser Begriff
nicht pauschal verwendet werden dürfte.
Denn es
gibt sie, die Liberalen in den Freikirchen. Und obwohl die konservativ
Denkenden überwiegen, wird die Situation verzerrt, indem Medien genau
diejenigen Probleme zitieren, welche auch innerhalb der Kirchenmauern heiss
diskutiert werden. Kreationismus, ausserehelicher Sex und Homosexualität sind
die drei Diskussionen, auf welche man als Besucherin einer Freikirche am
meisten angesprochen wird – aber auch genau die Dinge, in welchen sich Gläubige
untereinander am wenigsten einig sind. Innerhalb der Freikirchen findet vielerorts
ein Diskurs statt über Punkte, in denen die traditionelle Auslegung der Bibel
mit der heutigen Lebenswelt am stärksten auseinanderklafft. In evangelikalen
Verbänden wird gerungen, wie das Wesen des christlichen Glaubens heute
interpretiert werden soll, ohne es zu verleugnen.
Ich wünsche
mir, dass diese Diskussion transparenter geführt wird. Dass kirchliche
Leitungspersonen zugeben können, dass sie oft überfordert sind mit ihrer
Aufgabe, das Christentum in der heutigen Zeit zu vertreten. Einer Zeit, wo manche
der jahrtausende alten Worte der Bibel irritieren – und zwar nicht positiv. Dass
Freikirchen es wagen würden, traditionelle Interpretationen zumindest zur
Diskussion zu stellen, wäre dringend nötig. Denn wenn sie gegen aussen mit
fixen Wertehaltungen auftreten, obwohl hinter den Kulissen die Diskussion
brodelt, schadet dies nicht nur dem Image. Es verärgert auch diejenigen in den
eigenen Reihen, die an der Diskrepanz zwischen Dogma und Lebenswelt verzweifeln.
Oder die mit guten Argumenten eine andere Meinung als die Kirche haben, aber in
der Öffentlichkeit nicht gehört werden.
Gäbe es
mehr Transparenz, würden die Besucherinnen und Besucher der Freikirchen
vielleicht weniger oft pauschal als konservativ, weltfremd und intolerant
abgestempelt. (Oder, dies ist mir persönlich manchmal nicht klar, als leichte
Beute, die man vor den bösen Predigern beschützen müsste...) „Freikirchlerinnen“
und „Freikirchler“ sind ganz normale Menschen. Die meisten durchaus intelligent
genug, für sich selber zu denken und ihre Meinung aus verschiedenen Quellen und
Inspirationen zu bilden. Ich wünschte mir, dass die Öffentlichkeit das mehr anerkennt - aber auch die Leitungsgremien der Freikirchen, damit Diskurse
geöffnet werden.
(Im angelsächsischen Raum
ist dies bereits geschehen: Shane Claybourne und Brian McLaren plädieren für grundlegend
andere Kirchenformen – beide auf unterschiedliche Weise. Die Sängerin Vicky
Beeching hat extra einen Master in Theologie gemacht, um festzustellen, dass
sich Homosexualität und Glaube nicht ausschliessen. Und der Pastor Rob Bell spaltet
mit seinen kontroversen Ansichten zu verschiedenen Themen die amerikanischen
Kirchen. So werden andere Ansichten als die traditionellen Überlieferungen
zumindest zur Diskussion gestellt. Für Menschen, die im Glauben einfache Antworten suchen, macht es dies nicht einfacher. Aber selber denken rules!)
"Gut gebrüllt Löwe..."
AntwortenLöschenDu sprichst mir aus dem Herzen, Evelyne!!! Danke! Du kannst deine Gedanken so gut in Worte fassen! Liebe Grüße aus Laos! - Maria
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