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Keiner
da am Papitag
Gleichberechtigung ist auch Männersache
Lohnungleichheit,
die „gläserne Decke", sich entscheiden zwischen Beruf und Familie– beim
Stichwort Gleichberechtigung wird meist an die Benachteiligung von Frauen
gedacht. Dabei ist es auch ein Männerthema: Männer sind mitverantwortlich für
Lösungen; Gleichberechtigung kommt ihnen aber auch genauso zu Gute. Ein
Plädoyer dafür, Schulter an Schulter für Chancengleichheit zu kämpfen.
Kürzlich im Restaurant, einer mit dezentem
Chic umgebauten Industriehalle. Ich bin nach dem Gang auf die Toilette gerade dabei,
mir die Hände zu waschen, als sich die Tür öffnet und ein Mann eintritt. Mein
Blick muss ziemlich erstaunt sein, wenn nicht sogar schockiert, doch er
reagiert total cool: Lächelt charmant, sagt „Hallo", geht an mir vorbei und zieht
dabei dem Baby, das er auf dem Arm trägt, das heruntergerutschte Söckchen hoch.
Wickeltisch nur auf der Damentoilette – für ihn offenbar nicht das erste Mal.
Die wenigsten Männer machen wohl den Gang
auf die Damentoilette. Viel eher gehen in einer solchen Situation halt die
Frauen das Baby wickeln. Von meinen männlichen WG-Mitbewohnern, beide sind
Väter von zwei Kindern, habe ich schon einige solcher Stories gehört. Dass sie
als junge Väter stärker unter Beobachtung stehen, ob sie die Erwartungen auch
tatsächlich erfüllen können, und dass ihnen weniger zugetraut wird. Dass es
schwierig ist, für den „Papitag" andere Väter zu finden, um zusammen in den Zoo
zu gehen. Weil immer noch sehr viele Männer unter der Woche gar keinen solchen
„ Papitag" haben, weil ihr Job kein Teilzeitpensum zulässt. Umgekehrt stellte
eine Freundin kürzlich die These in den Raum, dass freiwillige Vollzeitmütter
ihren Partnern etwas wegnehmen. „Diskriminierung" – das Wort scheint hier etwas
übertrieben. Trotzdem: So richtig zufriedenstellend sind solche Situationen
nicht.
Frauenquote, Lohngleichheit, flexible
Arbeitszeitmodelle – meistens stehen in der Diskussion um Gleichberechtigung
vor allem die Bereiche im Fokus, wo Frauen benachteiligt sind. Weil es dort
lange Zeit grossen Aufholbedarf gab – und auch heute noch gibt. Ich bezeichne
mich zwar als Feministin, weil ich mich dafür einsetze, dass Frauen nicht mehr
länger die Flügel gestutzt werden. (Und dass sie sich das, nebenbei bemerkt,
nicht immer wieder selber antun.) Mit diesem Anliegen kämpfe ich aber nicht
gegen Männer, sondern ich wünsche mir vor allem eine Diskussion – mit beiden
Geschlechtern. Denn Gleichberechtigung ist auch Männersache.
Einen
Tag im Leben ein Mann sein
Der Nobelpreisträger und frühere
anglikanische Erzbischof Desmond Tutu sagte einmal, wer angesichts von
Ungerechtigkeit neutral bleibe, wähle die Seite des Unterdrückers. Der
Kirchenmann aus Südafrika erzählte dazu noch eine kleine Geschichte: „Wenn ein
Elefant auf dem Schwanz einer Maus steht und du sagst, du seist neutral, dann wird
die Maus deine Neutralität nicht schätzen.“ Für Chancengleichheit sind Männer
und Frauen verantwortlich. Und meistens kommt Gleichberechtigung sogar beiden
zu gute, denn sie löst festgefahrene Rollenbilder auf. Auch für die Männer.
Wie gerne würde ich mal einen Tag lang in
die Haut eines Mannes schlüpfen! Es gibt so vieles, worauf ich neugierig wäre.
Mal abgesehen von den naheliegendsten, sagen wir mal, Handlungen, nehmt ihr
Männer die Welt bestimmt ganz anders wahr als Frauen. Ist es wirklich so, dass ihr
Männer nie kalt habt? Wie ist es, eine tiefe Stimme zu haben, vibriert einem da
irgendwie der Schädel beim Sprechen? Kitzelt das? Und dann das Rasieren! Ich
verrate Ihnen jetzt mal ein Geheimnis: Ein Mann, der sich gerade rasiert, so
richtig mit duftendem Schaum und scharfen Klingen, wirkt unglaublich attraktiv.
Einmal im Leben ein Mann sein, sich ausgiebig über den Bart streichen und sich diesen
dann abrasieren – was wäre das für ein Erlebnis!
Gerne wäre ich auch einmal ein Mann in der
Arbeitswelt: Eine ganz andere Welt für Männer und Frauen. Als Mann, hört man
immer wieder, muss man sich durchsetzen. Manchmal auch mit harten Bandagen, je
höher man auf der Karriereleiter steigt. Viele Frauen wollen sich das nicht
antun, rücksichtslos andere aushebeln. Auch das kann man nicht pauschalisieren
– doch im Kern ist es Realität. Die Geschäftsführerin von Facebook, Sheryl
Sandberg, hat zu diesem Thema das Buch geschrieben „Lean In: Women, Work, and
the Will to Lead" („Frauen und der Wille zum Erfolg", deutsche Ausgabe Econ Verlag,
2013 --> Blog-Eintrag dazu).
Es fasst Erlebnisse zusammen, die Sheryl Sandberg selber in ihrer Karriere
gemacht hat, und sie gibt daraus Tipps, wie sich Frauen verhalten sollten, um
beruflich vorwärts zu kommen. Nur ein Beispiel: Von einer Frau wird unbewusst
erwartet, dass sie nett ist. Wenn eine Frau sich also durchsetzen will, sollte
sie hart verhandeln, aber dabei ein Lächeln aufsetzen. Fazit des Buches „Lean
in“: Eine Frau kann beruflich genauso weit kommen wie ein Mann, sie muss es
aber viel mehr wollen. Ich bin noch nie an diese Grenze gestossen, begegne
dieser Situation aber immer wieder im Zusammenhang mit Freikirchen: Dort ist
der Weg für Frauen in leitende Positionen nicht durch Hürden erschwert, sondern
wird ihnen mit Barrieren versperrt. Diese Chancenungleichheit einfach
hinzunehmen – das kommt für mich nicht in Frage.
Auch
männliche Rollen ändern sich
In der Gesellschaft ist die Situation
ähnlich, wenn ein Elternpaar nicht die traditionelle Rollenverteilung wählt.
Vollzeitväter sind immer noch weniger akzeptiert, es haftet ihnen das Stigma
des beruflichen Versagers an. Auch für Männer lohnt es sich also, für Gleichberechtigung
einzustehen. Lohngleichzeit zum Beispiel würde bedeuten, dass die Entscheidung,
wer wie viel arbeiten geht und wer mehr für die Kinder da ist, nicht mehr von
den Finanzen abhängt. Denken Firmen eher quer und lassen flexible
Arbeitsmodelle zu, dann steigt die Akzeptanz von Teilzeitarbeit. Auch für
Männer, welche nicht „nur Ernährer", sondern als Vater im Alltag der Kinder
präsent sein möchten. Und umgekehrt: Wenn Frauen sich auch in den höheren
Etagen der Geschäftswelt etablieren, heisst das, dass auch dort nicht mehr das
traditionelle Rollenverhalten zählt. Dass es auf das Geschlecht irgendwann gar nicht
mehr ankommt – auch nicht im Sinne einer Quote. Dass man sich weniger mit (männlich
konnotierter) Rücksichtslosigkeit durchsetzen muss.
Weniger festgefahrene Rollen, das heisst,
dass sich der Einzelne besser entfalten kann. Weniger Entweder-Oder, mehr
Lebensqualität. Dass man sich flexibler an die Bedürfnisse der Familie und des
Partners anpassen kann. Und nicht zuletzt: Es bedeutet alternative Vorbilder
für die kommenden Generationen.
Frauen und Männer sind und bleiben unterschiedlich
– zum Glück! Aber vieles, was heute gelebt wird, hat nichts mit dem Geschlecht und
biologischer Notwendigkeit zu tun, sondern mit traditionellen Rollenbildern.
Wenn diese gesprengt werden, ist das keine Abschwächung der natürlichen Eigenschaften
und persönlichen Wesenszüge als Mann und Frau. Im Gegenteil: Gleichberechtigung
bedeutet Freiheit, sich zu entdecken und seinen Charakter zu leben, seine
Träume zu verwirklichen, sein Leben zu gestalten.
Evelyne
Baumberger ist Redaktorin bei Radio Life Channel. Privat bloggt sie zum Thema
„Frauen und Kirche" auf www.feminism-OMG.ch .
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