Ich
besitze eine Unmenge von Büchern. Bei den letzten beiden Umzügen sind
jeweils etwa drei Dutzend rausgeflogen, in die Bücherbrocki. Viele sind
geblieben. Und neben "Grimms Märchen" aus meiner Kindheit und einigen
Romanen, an denen Erinnerungen hängen, ist eines meiner liebsten Bücher "Wahnsinns Frauen".
Es sind Biografien von kreativen, hochbegabten Frauen,
die von ihrem Umfeld als "wahnsinnig" eingestuft wurden. Vermutlich
waren einige unter ihnen tatsächlich psychisch labil veranlagt. Andere
wurden es, weil sie von ihrer Familie, ihrem Mann oder von der
Gesellschaft unterdrückt wurden. Nachdem ich die vielen Biografien zum
ersten Mal gelesen habe, habe ich mir eines versprochen: Ich werde mich niemals von einem Mann einsperren lassen. Weder gedanklich, emotional, noch physisch.
Das
Buch hat mich sensibilisiert, auch wenn die beschrieben
Frauenschicksale (in Band 1 der Reihe "Wahnsinns Frauen") in der
Vergangenheit schon einiges zurück liegen.
Vielleicht hat mich das Buch aber auch etwas traumatisiert.
Das seelische Leiden der beschriebenen Frauen, das bei manchen zur
Geisteskrankheit führte und bei einigen sogar bis hin zur Flucht in den
Suizid, hat mich berührt. Und ich fühlte mich ihnen beim Lesen verwandt:
Auch wenn ich mir nicht anmasse, auch nur annähernd so kreativ oder
querdenkend zu sein wie sie, gehört eine gewisse intellektuelle Seite zu
mir.
Ich habe im Gegensatz von vielen der "WahnsinnsFrauen" das
Privileg, dass ich mein Leben frei gestalten kann. Ich bestimme selber,
wovon ich mich vereinnahmen, "einsperren" lasse, und wie ich gewissen
Dingen auch entgehen kann. Nun bin ich in einem Alter, in dem sich
langsam die Frage stellt: Kinder, ja oder nein? Und mit der Kinderfrage fühlt es sich an, als schwebe ein Damoklesschwert über meinem Kopf.
Einerseits bin ich überzeugt und höre dies auch immer wieder von Eltern, dass es die ganze Mühe wert ist, Kinder grosszuziehen. Dass sie einen Dinge lehren und das Leben auf eine Weise bereichern, die unvergleichlich ist. Andererseits lese ich praktisch jede Woche Artikel wie diesen, diesen oder diesen,
in denen mir vor Augen gehalten wird, wie schwierig und stressig und
eigentlich unmöglich es ist, Eltern zu sein und gleichzeitig glücklich. Ich sehe die Eltern in meinem Umfeld, die mit Terminen, Gegenständen und Wünschen jonglieren. Die
keine Zeit mehr dafür haben, ein Magazin zu lesen, die Rätsel in der
Sonntagsausgabe der Zeitung zu lösen, zu bloggen, Filme anzuschauen. Bei
einigen sehe ich, dass es klappen kann - aber nur mit einer minutiösen
Organisation und der Hilfe von engagierten Grosseltern.
Ich fürchte mich vor dem „Eingesperrtsein“. Frage mich, ob dieser Gedanke egoistisch ist. Ich
denke an die "Wahnsinns Frauen" und an die "starken Frauen in der
Kirche", meine Vorbilder, von denen viele keine Kinder haben. Ich habe
Angst, nicht belastbar genug zu sein für das Mutter-sein. Nicht relaxed
genug, um mir Freiheiten herauszunehmen, zum Beispiel Zeit zum Lesen. Und dass ich es mir mit der Entscheidung für Kinder verunmöglichen würde, beruflich Freude und Erfüllung zu behalten.
Denn ich
möchte mich mein Leben lang weiterbilden. Nicht nur praktisch,
emotional, im Leben mit einer Familie. Sondern auch intellektuell; mir
Wissen aneignen, eine Meinung bilden und im Beruf auch Meinungen zu
debattieren. Deswegen fürchte ich mich davor, in eine Falle zu tappen.
Feststellen zu müssen, dass Eltern-sein vor allem belastend ist und
nicht erfüllend. Dass es mit der Rollenteilung nicht so klappt, wie man
es geplant hat. Und nicht zuletzt auch, dass mein Engagement für die Freiheit und Stärke der christlichen Frauen zerbröselt und ich mich selber enttäusche.
Aber was wird am Ende zählen? Welche Kompromisse sind akzeptabel? Und wo sperre ich mich selber ein? Ich frage mich, wie andere Frauen dies tun, die ähnlich funktionieren wie ich: Die Rolle als Mutter integrieren in die Persönlichkeit, ins Leben, ohne die wichtigsten anderen Teile zu verlieren.
Momentan kann ich die Entscheidung noch vor mir her schieben. Aber
irgendwann wird sie konkret - und dann will ich sie mit Überzeugung
treffen können.
Der Blogpost wäre eigentlich hier zu Ende. Bevor ich ihn veröffentlicht habe, stiess ich auf dem Blog "More than pretty" auf den Text "Berufung leben mit Kindern?" (Teil 1 und Teil 2). Was für eine Erleichterung: Ich bin nicht die einzige Frau, die sich diese Sorgen macht! Und Doris Lindsay erzählt hier aus eigener Erfahrung, wie sie ihren Weg auch mit Kindern konsequent weiter gehen konnte.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen